Burnout ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein schleichender Prozess. In meinen Jahren als Beraterin und Redakteurin für Büroalltag habe ich immer wieder erlebt, wie Teams das Leuchten in den Augen einzelner Kolleginnen und Kollegen verlieren – zunächst subtil, dann offenkundig. Mein Ziel hier ist es, Ihnen konkrete Anzeichen zu zeigen, wie Sie Burnout früh erkennen und pragmatisch intervenieren können, ohne psychologisches Fachpersonal vorzugaukeln. Ich teile Methoden, Gesprächsbeispiele und Tools, die sich im Alltag bewährt haben.
Woran erkenne ich frühe Burnout-Anzeichen im Team?
Es gibt keine Checkliste, die auf jede Person passt, aber mehrere wiederkehrende Signale, auf die ich stets achte:
Veränderung im Verhalten: Jemand zieht sich zurück, antwortet seltener im Chat oder meidet Meetings.Sinkende Leistungsfreude: Früher engagierte Kolleginnen liefern routinierter, zeigen weniger Initiative.Zunehmende Fehleranfälligkeit: Kleine, vorher untypische Fehler häufen sich.Chronische Erschöpfung: Erschöpfung wirkt konstant, nicht nur nach stressigen Phasen.Schlaf- oder Essstörungen: Kolleg:innen berichten öfter von schlechtem Schlaf oder wechselnder Appetit.Emotionale Reaktionen: Reizbarkeit, resignative Aussagen wie „Das bringt eh nichts“.Erhöhte Fehlzeiten: Häufige, kurzzeitige Fehlzeiten oder verlängerte Krankmeldungen.Wenn mehrere dieser Signale über Wochen sichtbar sind, ist Handeln angesagt.
Wie beobachte und dokumentiere ich sensibel?
Beobachten heißt nicht überwachen. Mein Ansatz: systematisch, aber respektvoll. Ich empfehle ein einfaches Protokoll, das Vorgesetzte oder HR nutzen können, um Muster zu erkennen, ohne in Kontrolle zu verfallen.
Regelmäßige Check-ins: Kurze 1:1-Gespräche (10–15 Minuten) alle 1–2 Wochen bieten Raum für Beobachtung.Fakten statt Gefühle dokumentieren: Notieren Sie konkrete Verhaltensänderungen (z. B. „hat drei Deadlines verpasst im Zeitraum X“), nicht Interpretationen.Anonyme Teambefragungen: Einmal im Quartal können kurze Pulse-Umfragen (z. B. mit Officevibe oder TinyPulse) hilfreiche Trends zeigen.Nutzen Sie Tools: Trello oder Asana helfen, Workload sichtbar zu machen; Slack-Reaktionen oder Meeting-Teilnahme können Indikatoren sein.Erstes Gespräch: Wie spreche ich es an, ohne zu verletzen?
Das erste Gespräch ist entscheidend. Ich empfehle einen wertschätzenden, offenen Ton und konkrete Beobachtungen statt Vorwürfe.
| Beobachtung | Mögliche Gesprächsformulierung |
| Rückzug aus Meetings | "Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten Meetings öfter stiller warst. Geht es dir gut damit?" |
| Fehlende Initiative | "Du warst früher oft die treibende Kraft bei Projekt X. Seit einiger Zeit sehe ich weniger Initiative – gibt es etwas, das dich daran hindert?" |
| Häufige Krankmeldungen | "Die Ausfallzeiten sind in den letzten Wochen häufiger geworden. Ich möchte verstehen, wie wir dich besser unterstützen können." |
Wichtig: Hören Sie aktiv zu, unterbrechen Sie nicht und vermeiden Sie schnelle Lösungen. Oft braucht es zuerst Raum für Erklärungen.
Konkret intervenieren: Maßnahmen, die wirken
Interventionen sollten individuell, pragmatisch und zeitnah sein. Hier meine häufigsten, erprobten Maßnahmen:
Arbeitslast sichtbar machen und reduzieren: Nutzen Sie Task-Boards (Asana, Trello) und priorisieren Sie gemeinsam. Entfernen Sie Aufgaben, die delegiert werden können.Temporäre Rollen- oder Deadline-Anpassungen: Eine klar befristete Reduktion von Verantwortlichkeiten (z. B. 50 % Fokus auf Kernaufgaben für 6 Wochen) kann Erholung ermöglichen.Ressourcen bereitstellen: Interne Coaching-Angebote, externes Employee Assistance Program (EAP) oder Mental-Health-Apps wie „Headspace“ oder „Mindable“.Förderung von Pausen und Erholung: Ich empfehle feste Kernarbeitszeiten, keine E-Mails nach 19 Uhr und geplante Offline-Tage nach intensiven Phasen.Teaminterne Unterstützung: Peer-Buddy-Systeme oder ein Mentor innerhalb der Abteilung können Isolation verringern.Klare Rückkehrpläne: Nach längeren Auszeiten einen stufenweisen Wiedereinstieg planen (z. B. 60–80 % Arbeit in Woche 1–2, dann aufstocken).Gesprächsvorlage: Was sage ich konkret?
Hier einige Sätze, die ich selbst oft verwende – kurz, wertschätzend und konkret.
"Ich mache mir Sorgen um dich, weil ich in letzter Zeit Veränderungen bemerkt habe. Wie geht es dir wirklich?""Was würde dir jetzt kurzfristig helfen, um deinen Alltag etwas leichter zu machen?""Wir können Aufgaben umverteilen oder Deadlines anpassen. Wäre das eine Entlastung für dich?""Wenn du möchtest, organisiere ich gern ein Gespräch mit HR oder biete dir die Kontaktdaten für unser EAP an."Wann externe Hilfe notwendig ist
Als Führungskraft bin ich nicht dafür da, therapeutische Arbeit zu leisten. Externe Hilfe sollte eingeholt werden, wenn:
die betroffene Person von Suizidgedanken oder starkem Selbstverletzungsverhalten spricht,die Erschöpfung über Monate anhält und die Leistungsfähigkeit massiv eingeschränkt ist,klinische Symptome wie schwere Depressionen, Panikattacken oder Substanzmissbrauch auftreten.In solchen Fällen ist es wichtig, verbindlich Unterstützung durch Fachärzte, Psychotherapeuten oder Krisenstellen zu organisieren. Informieren Sie HR, bieten Sie Hilfe bei der Terminvereinbarung an und bleiben Sie als Ansprechpartnerin im Rahmen Ihrer Rolle verfügbar.
Prävention auf Team- und Unternehmensebene
Langfristig reduziert man Burnout-Risiken durch Kultur, Prozesse und Tools:
Transparente Workload-Planung: Regelmäßige Ressourcen-Reviews, feste Kapazitätsplanung.Training für Führungskräfte: Schulungen zu Gesprächsführung, psychischer Gesundheit und Früherkennung (z. B. Workshops mit externen Coaches).Förderung einer offenen Kultur: Geschichten von Führungskräften, die offen über Belastungen sprechen, entstigmatisieren.Technische Entlastung: Automatisierungen (Zapier, Power Automate), bessere Collaboration-Tools (Microsoft Teams, Notion) reduzieren Reibungsverluste.Regelmäßige Pulsbefragungen: Kurzbefragungen liefern frühzeitig Hinweise auf Belastungstrends.Wie messe ich den Erfolg meiner Maßnahmen?
Erfolg misst sich nicht nur an reduzierten Krankmeldungen. Achten Sie auf:
Stabilisierung der Leistungsfähigkeit und Rückkehr zur Initiative,Verbesserung in Pulse-Umfragen (Wohlbefinden, Arbeitsbelastung),Weniger kurzfristige Ausfälle und höhere Meeting-Teilnahme,Positive Rückmeldungen im 1:1 über die ergriffenen Maßnahmen.Dokumentieren Sie diese Indikatoren über mindestens drei Monate, um verlässliche Aussagen treffen zu können.
Im Umgang mit Burnout zählt vor allem eines: Zeitnahe, menschliche Reaktionen kombiniert mit klaren, pragmatischen Maßnahmen. Wer früh unterstützt, bewahrt Mitarbeitende vor langwierigen Auszeiten – und stärkt langfristig die Resilienz des Teams.